Von Rittern, Tod und Teufel. Popularisierung des Mittelalters im Film

Von Rittern, Tod und Teufel

Vortrags- und Filmreihe in Kooperation mit dem Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg im Wintersemester 2024/25

Die Veranstaltungen finden mittwochs um 18:00 Uhr im Gloria-Kino statt.

Tickets: 10 € regulär, 8 € ermäßigt, 7 € für Studierende

Konzeption und Organisation: Henry Keazor, Alexandra Vinzenz und Daniel Winkler

 

Von Ritter, Tod und Teufel - Plakat

Das Mittelalter ist vielfach Gegenstand von Popularisierungen, sei es in Form von Burgentourismus, Mittelalterfesten oder Ritterspielen. Genauso versuchen zahlreiche populäre Romane, Filme und Serien wichtige historische Stationen, Figuren, Orte, Kunst- und Bauwerke und Bräuche des Mittelalters ins Heute zu übersetzen und so zu vermitteln. Dabei sind Künstler:innen und Produzent:innen immer wieder mit äußerst ambivalenten Herausforderungen konfrontiert, gilt es doch, gleichzeitig die eigene ästhetische Vision umzusetzen, den Publikumsgeschmack zu treffen und die historische Wahrhaftigkeit im Blick zu behalten. Diese Filmreihe blickt auf fünf sehr unterschiedliche Versuche, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, die zwischen den 1920er und 2000er Jahren entstanden sind und stark unterschiedlichen Filmgenres, Nationen und Kontinenten entstammen. Gleichzeitig sind Popularisierungen des Mittelalters, wie die anderer Epochen auch, freilich immer im Kontext ihrer Entstehungszeit zu lesen, das heißt von Zeittrends wie nationalen Ideologien durchdrungen.

Der Eröffnungsfilm der Reihe, Fritz Langs Die Nibelungen (1924), macht dies als ein früher Historienfilm, der im Kontext des Weimarer Kinos entstanden ist und gleichzeitig auf einen populären Sagen- und Opernstoff zurückgreift, paradigmatisch deutlich. Der zweite Film der Reihe, Ingmar Bergmans Das Siebente Siegel (1957), stellt dem, als Autorenfilm und existenzialistische Aneignung eines Ritter- und Kreuzzugstoffes, die Themen von Glauben, Religion und Tod gegenüber. Bereits als Farbfilm gedreht, setzt sich Pier Paolo Pasolinis Decameron (1971) von den vorangegangenen beiden Filmen ikonographisch wie narrativ ab, greift er doch auf Giovanni Boccaccios Novellensammlung zurück und rückt damit die Sinnesfreuden in Form einer Kritik des Kapitalismus und eines Lobpreises unterprivilegierter Vitalität ins Zentrum. Der vorletzte Film der Reihe, Der Name der Rose von Jean-Jacques Annaud (1986), greift, wie Pasolini, auf eine Literaturvorlage zurück, in diesem Fall Umberto Ecos Bestsellerroman, allerdings in deutlich anderer Gestalt, nämlich als internationale, prominent besetzte Koproduktion. Dem schließt sich eine ebensolche populärkulturelle Vision des Mittelalters an, in Form eines Animationsfilms von Tomm Moore und Nora Twomey, Das Geheimnis von Kells (2009), der auch insofern einen guten Schlusspunkt der Reihe bildet, als er stereotype Popularisierungen des Mittelalters schon aufgrund der Genregestalt gut in Distanz rücken kann.

 

Filme und Termine der Reihe:

Filmstill "Decameron"

DECAMERON (OmU)

Termin: 08.01.2025, 18:00 Uhr
Vortrag: Prof.em. Dr. Ingo Herklotz, Kunstgeschichtliches Institut, Philipps-Universität Marburg

Pier Paolo Pasolinis Decameron (1971)

I 1971 | Regie: Pier Paolo Pasolini | 112 Min.

Mit ausgewählten Episoden aus Giovanni Boccaccios Novellensammlung des Decameron (um 1350) verfilmte Pier Paolo Pasolini (1922–1975), das enfant terrible der italienischen Intellektuellenszene der 1960er und frühen 70er Jahre, ein Stück Weltliteratur. Neben der Frage nach dem Verhältnis des Films zur literarischen Vorlage führt das Werk die hohe Bedeutung der Bildkünste in Pasolinis Schaffen vor Augen. Beachtung verdient überdies die politisch-anthropologische Dimension des Films: Nicht als Erotik- und Unterhaltungsfilm, wie weite Bereiche der zeitgenössischen Kritik ihn sahen, wollte Pasolini sein Decameron verstanden wissen. Vielmehr ging es ihm darum, seinen Protest gegen kulturellen Konsumismus und Amerikanisierung zu artikulieren und ein Plädoyer für die vitale Ursprünglichkeit der unterprivilegierten Schichten vorzutragen.

 

Filmstill "Der Name der Rose"

DER NAME DER ROSE (OmU)

Termin: 22.01.2025, 18:00 Uhr
Vortrag: PD Dr. Stephan Brössel, Germanistisches Institut, Universität Münster

Zeichen eines postmodernen Mittelalters: Jean-Jacques Annauds Der Name der Rose (1986) nach einem Roman von Umberto Eco

D/F/I 1986 | Regie: Jean-Jacques Annau | 126 Min.

Ecos Der Name der Rose (1980) wurde – und wird noch immer – als historischer Roman der Postmoderne besprochen. Ironie, Selbstreflexivität, Gattungshybridität – dies nur einige wenige Aspekte, die für die postmoderne Signatur des immens erfolgreichen Roman-Debüts Ecos sprechen. Demgegenüber musste sich Annauds Filmadaption zwar vorwerfen lassen, zur ‚Vereindeutigung‘ zu tendieren und der komplexen Anlage des Romans nicht gerecht zu werden, jedoch kann man auch dort ein ‚Modell des Mittelalters‘ ausmachen, das in seiner postmodernen Rahmung zugänglich und interpretierbar erscheint, wenngleich es sehr viel weniger exponiert ist als in der literarischen Vorlage. Der Vortrag lädt ein zu einer Spurensuche nach Ecos Form der Mittelalterpopularisierung, einerseits an der intermedialen Schnittstelle zwischen Roman und Film, andererseits im Film selbst.

 

Filmstill "Das Geheimnis von Kells"

DAS GEHEIMNIS VON KELLS (OmU)

Termin: 05.02.2025, 18:00 Uhr
Vortrag: Dr. Erwin Feyersinger, Institut für Medienwissenschaft, Universität Tübingen

Mittelalterliche Buchmalerei in animierten Filmen

IRL/F/B 2009 | Regie: Tomm Moore/Nora Twomey | 75 Min.

Eine stereotype Vorstellung des Mittelalters, die uns in Filmen begegnet, ist jene des arbeitsamen, kunstfertigen Mönchs, der, versunken über einem Pergament, einen Text Buchstabe für Buchstabe kopiert und aufwendig verziert. Auch die Ergebnisse dieser geduldigen Arbeit, die bunt illuminierten Buchseiten, werden in Filmen eingesetzt und dort durch Animation zum Leben erweckt. So wird in Monty Python and the Holy Grail (1975) eine Bibelseite mittels Legetrick zur Bühne für absurde visuelle Gags. Shrek (2001) beginnt mit den Seiten eines Märchenbuches und persifliert dadurch die Anfangsszenen vieler Disney-Filme, die selbst Mittelalter-Vorstellungen der Romantik amerikanisieren. In The Secret of Kells (2009) wird mittelalterliche Kunst zum umfassenden Designprinzip, das sich in der Stilvielfalt des Films wiederfindet. Der Vortrag geht diesen und weiteren Beispielen mittelalterlicher Buchmalerei in animierten Filmen auf den Grund.

 

 

bisherige Filme der Reihe:

 

Filmstill "Das siebente Siegel"

DAS SIEBENTE SIEGEL (OmU)

Termin: 04.12.2024, 18:00 Uhr
Vortrag: Prof. Dr. Ursula von Keitz, Filmforschung und Filmbildung, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf

Zur cinematischen Produktivität mittelalterlicher Bildformeln

S 1957 | Regie: Ingmar Bergman | 86 Min.

Visuell inspiriert von alten Holzschnitten, drehte Ingmar Bergman 1957 in Schwarzweiß ein existenzialistisch grundiertes Filmdrama um Glauben, Religion und Tod. Der Ritter Antonius Block kehrt zusammen mit seinem Knappen aus dem Kreuzzug zurück. Der personifizierte Tod erscheint und verkündet Antonius, dass seine letzte Stunde geschlagen hat, doch Block ist nicht bereit zu sterben. Er fordert den Tod zu einem Schachspiel um Leben und Glauben heraus. Der Vortrag stellt Bergmans berühmten Film unter anderem in den Kontext mittelalterlich-frühneuzeitlicher Bildformeln (wie der personificatio), derer sich das europäische Kino seit der Stummfilmära zumal in Krisenperioden bedient (hat).

 

Filmstill "Die Nibelungen"

DIE NIBELUNGEN

Termin: 20.11.2024, 18:00 Uhr
Vortrag: Dr. Alexandra Vinzenz, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg

Nationale Aneignungen eines Heldenepos – Ein Mittelalter-Revival?

D 1924 | Regie: Fritz Lang | 148 Min.

Es ist eines der bekanntesten mittelalterlichen Heldenepen, das Nibelungenlied. Diesen Status hat der literarische Stoff auch durch seine mediale Präsenz seit dem frühen 19. Jahrhundert erhalten, die im Massenmedium Film nochmals zunimmt. Den Auftakt im Bewegtbildmedium macht Fritz Langs Film Die Nibelungen (1924). Mitten in der Weimarer Zeit erobert er mit einem zuvor schon verschiedentlich zur politischen Agitation eingesetzten Thema die Leinwand. So muss der Film gleich mehrfach das Sehen einfordern: Als einer der frühen Historienfilme bedient er sich des kulturellen Gedächtnisses seiner Zuschauer:innen und etabliert zugleich neue Bilder. So muss mit einem bildwissenschaftlichen Blick gefragt werden, welche (populären) Bilder wo, wie und wozu genutzt werden.